Menschliches

… und allzu Menschliches rund um die Nessel

 Albrecht Dürer sah die Brennnessel als eine „von Gott geschenkte Pflanze“, was er in seinem Bild, auf dem ein Engel mit einer Brennnessel in der Hand zum Thron Gottes empor fliegt, verewigt hat.

Den Grafen von Schauenburg war spätestens im 14. Jahrhundert die Nessel offenbar so wichtig, dass sie diese in ihr Siegel und Wappen aufnahmen. Da der Letzte von Schauenburg, Graf Adolf VIII., ohne Nachfolger verstarb, wählte der holsteinische Adel 1460 den Dänenkönig Christian als dessen Nachfolger. Dieser hatte bei Herrschaftsantritt versprochen, die Grafschaft Holstein und das Herzogtum Schleswig auf ewig ungeteilt zu lassen; deshalb schauen noch heute auf dem Landeswappen Schleswig Holsteins die beiden schleswiger Löwen auf das holsteinische Nesselblatt.

Die im Volksmund gestellte Frage „Wenn sich eine Biene in eine Brennnessel setzt – wer sticht dann wen?“ kann gut und gerne als ein hiesiger Koan – eine die Erkenntnis fördernde buddhistische Rätselfrage – durchgehen. Der volkstümliche Rat, fünf Nesselblätter in der Hand zu halten, um frei von Furcht und bei kühlem Verstand – also innerlich rein – zu bleiben, zielt in eine ähnliche, das Bewusstsein erweiternde, Richtung.

In Hans-Christian Andersens Märchen „Die wilden Schwäne“ webt das Mädchen Elisa stumm und ohne zu klagen von Friedhöfen gesammelte Brennnesseln, um ihre in Schwäne verwandelten Brüder die Menschengestalt zurück zu geben. Leider wird das rettende Nesselleibchen des jüngsten Bruders nicht ganz fertig, so dass dieser einen Schwanenflügel behält.

Auch als  Kultspeise diente die Nessel: Am Gründonnerstag gegessenes Brennnesselgemüse sollte für das folgende Jahr vor Geldnot schützen. Ebenso sollte am Johannistag verzehrte Brennnesselpfannkuchen vor Nixen- und Elfenzauber schützen. An Neujahr sollte man Brennnesselkuchen essen, um sich ein gutes Jahr zu sichern.

In der Johannisnacht hängte man zum Schutz des Viehs Brennnesselbüsche an Stallfenstern und –türen auf, während zum gleichen Zweck Nesseln auf den Misthaufen gesteckt und mit Stöcken geschlagen wurden.

 

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